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Debatte

Wolf im Schafspelz? – über Kleingedrucktes im Baurechtsvertrag

16.01.2020 / 19.00–21.00 Uhr

Baurechtsverträge halten fest, zu welchen Bedingungen der Eigentümer dem Baurechtsnehmer befristet Land zur Nutzung überlässt. Vergibt die öffentliche Hand Land im Baurecht, knüpft sie daran Bedingungen: den Anteil an Sozialwohnungen, öffentlichen Räumen, Krippenplätzen und immer öfter auch den Anteil an subventionierten Wohnungen und – damit verbunden – teilweise schwer zu erfüllende Vermietungsrichtlinien. Auf der anderen Seite muss es sich – trotz der Auflagen – auch bei Kostenmiete für die Wohnbaugenossenschaften rechnen. Befürworter und Skeptiker debattierten darüber, was gefordert und was leistbar sei. Im Rückblick...


Christian Portmann, Präsident von Wohnbaugenossenschaften Zürich, erläuterte in seiner Präsentation kurz das Wesen der Baurechte und bettete ihre Bedeutung in die grösseren Zusammenhänge wie die Richtplanung (Zeithorizont von 20 bis 25 Jahren), Bau- und Zonenordnung (ca. 15 Jahre) und Gesetze und Verordnungen (nach Bedarf) ein. Angesichts der Tatsache, dass Baurechtsverträge auf mindestens 30 und maximal auf 100 Jahre abgeschlossen und also eher der Lebensdauer bzw. Erneuerungszyklen der Liegenschaften ausgelegt würden, werde ein gewisser Konflikt bereits aus den Fristigkeiten ersichtlich.

Gleichzeitig wohne darin eine «Gesellschaft» mit Bedürfnissen, die sich schnell veränderten – im Gegensatz zu den festgelegten Baurechtsverträgen. Zum Schluss machte er noch Angaben zum Volumen: Von den 220 Baurechtsverträgen der Stadt Zürich seien 50 % solche mit Gemeinnützigen. Etwa 10 % der rund 39'000 Stadtzürcher Genossenschaftswohnungen stünden auf Land im Baurecht (im Vergleich: Biel 80 %, Thun 66 %).

Dann fragte er die Podiumsteilnehmenden, was denn aus ihrer Sicht die Vor- und Nachteile von Baurechten seien. Thomas Wernli sah für die Stadt Zürich vor allem zwei Vorteile: die Lenkungs- bzw. Gestaltungsmöglichkeiten und der Umstand, dass das Land nach Vertragsablauf der Stadt wieder zur Verfügung stehe und sie so auf die dannzumaligen Bedürfnisse reagieren könne. Nachteile sehe er für die Stadt keine.
Reto Betschart betonte, dass die ASIG schon lange keinen neuen Baurechtsvertrag mehr abgeschlossen hätte. Der Hauptvorteil wäre sicher, dass man nicht Kapital für teures Bauland aufbringen müsste. Und als Nachteil fügte er an, dass man das Land nicht behalten und darum auch keine Substanz aufbauen könne. Deshalb hätten sie die Philosophie, auf eigenem Land zu wachsen und nach Möglichkeit neuen Grund zu kaufen. Die mit den Baurechten verbundenen Auflagen müsse man sich leisten können und wollen, beispielsweise die vorgeschriebenen Architekturwettbewerbe. Die ASIG ziehe stattdessen Studienaufträge vor und wolle als Eigentümer die Regeln selbst festlegen können.
Peter Schmid (BG mehr als wohnen, Habitat 8000) monierte, es gebe keine andere Stadt, die so viele Bedingungen in die Baurechtsverträge packe. Aus Sicht des Bürgers verstehe er das zwar. Und das Land nach Ablauf der Baurechtsdauer wieder zurückgeben zu müssen, bedeute nicht nur einen Substanzverlust; es widerspreche auch der Idee, das Land dauerhaft der Spekulation zu entziehen.

Christian Portmann fragte Thomas Wernli, ob die Stadt Zürich denn Mühe habe, Baurechte zu realisieren. Dieser meinte, es habe bei Ausschreibungen (mit Hilfe von Wohnbaugenossenschaften Zürich) immer genügend Bewerbungen gegeben. Einzig beim Projekt «Thurgauerstrasse» werde man überprüfen müssen, wie streng die Auflagen umgesetzt werden sollten.
Daraufhin sprach Peter Schmid nochmals die Partnerschaft zwischen der Stadt Zürich und den Wohnbaugenossenschaften an, die in letzter Zeit durch zusätzliche Auflagen strapaziert worden seien. Diese kämen zwar nicht von der Verwaltung, sondern vom Gemeinderat. Aber er plädierte dafür, einen Weg zurück zu einer guten Partnerschaft zu finden. Darauf hin insistierte Thomas Wernli, er habe es noch nie erlebt, dass einem Bauträger ein Architektur-Projekt aufs Auge gedrückt worden sei. Christian Portmann führte ins Feld, dass Bedingungen wie ein Architektur-Wettbewerb (hohe Kosten und etwa ein Jahr Arbeit) kleinere Genossenschaften, die sich den Aufwand nicht zutrauten, möglicherweise von vornherein ausschliessen und also die Grossen bevorteilen würden. Thomas Wernli entgegnete, dass die Stadt eben einen gewissen Kriterien-Katalog aufstellen müsste, um auf
die Forderungen von Politik und Gesellschaft eingehen zu können. Dazu kommt aus dem Publikum das Votum, dass die Qualität der Architektur in den vergangenen Jahren durch die Konkurrenz (beim Wettbewerb) markant gesteigert werden konnte.

Peter Schmid erwähnte eine Studie, die er zusammen mit Wüst Partner erarbeite. Dabei hätten sie festgestellt, dass aus unternehmerischer Sicht der Baurechtszins mit jeder neuen Auflage – jede für sich genommen eine Eigentumsbeschränkung – hätte sinken müssen, was nicht der Fall war. Neu kämen nun mit der Vorschrift, dass 30 % der Wohnungen subventioniert werden müssen, auch Belegungsvorschriften hinzu. Er bezweifelte, dass kommerzielle Investoren auf solche Bedingungen überhaupt eingehen würden.

Eine andere Auflage, Bauen nach Minergie P-Standard, stehe – so Reto Betschart – angesichts der Klima-Situation sowieso nicht zur Diskussion. Die Genossenschaften seien da längst sensibilisiert und bauten bereits nach den höchsten Umwelt-Standards. Solche und andere Anforderungen ergäben aber aufgrund der höheren Erstellungskosten eben einen Zielkonflikt, wenn man möglichst günstige Wohnungen anbieten wolle. Peter Schmid ergänzte, dass Minergie P nicht immer die beste Lösung sei. Um aber Unterstützung durch die Wohnbauförderung zu bekommen, müsse man dennoch die Anforderungen dieses Labels erfüllen.

Bevor Christian Portmann um Schlussstatements bat, hielt er fest, dass Baurechtsverträge etwas seien, womit sich eine Genossenschaft vertieft auseinandersetzen müsse um keine Überraschungen zu erleben. Es erfordere viel Know-how, was dem Milizsystem der heutigen Vorstände kleinerer Genossenschaften zuwiderlaufe. Dann fragte er in die Runde, was sich die Podiumsteilnehmenden im Zusammenhang mit Baurechtsverträgen für die Zukunft wünschten.
Für Reto Betschart war klar, dass die Akzeptanz von Baurechten stiege, wenn die Bedingungen überdacht und die Verträge entschlackt würden. Im Gegenzug wäre eine Erhöhung des Baurechtszinssatzes denkbar. Auch plädierte er für längere Laufzeiten.
Thomas Wernli wünschte sich mehr und ein tieferes Verständnis für Baurechte und ihre Berechtigung. Dagegen wünschte sich Peter Schmid eine Grundsatzdiskussion. Höher bauen werde zum Beispiel mit höheren Baurechtszinsen «bestraft», was wiederum die Verdichtungsbestrebungen behinderte. Ein Anreizsystem wäre aus seiner Sicht viel interessanter.

Christian Portmann bestätigte, dass das Thema Baurecht weit oben auf der Agenda von Wohnbaugenossenschaften Zürich stehe und man mit Vertretern aus der Politik und der Verwaltung im Gespräch bleiben wolle. Auch werde das Thema eingehend mit den Verbandsmitgliedern diskutiert. Einen Anfang könne man beim anschliessenden Apéro machen.

Moderation: Christian Portmann (Präsident Wohnbaugenossenschaften Zürich)
Podiumsteilnehmende: Thomas Wernli (Teamleiter Baurechte Stadt Zürich), Peter Schmid (Präsident BG mehr als wohnen und Vorstand Wohnbaugenossenschaften Schweiz) sowie Reto Betschart (Geschäftsführer Baugenossenschaft ASIG)