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Debatte

Luftschlösser – taugt das Hochhaus für die Gemeinnützigen?

31.10.2019 / 19.00–21.00 Uhr

Beim Thema Verdichtung, sprich mehr Wohnraum auf gleicher Fläche, kommt schnell die Idee des Hochhauses aufs Tapet. Doch ist das die Lösung? Wenn ja: Stellt es die Gemeinnützigen vor neue Probleme? Denn es gilt, die Bauvorschriften einzuhalten, die Kosten im Griff zu haben und städtebauliche und soziale Aspekte sowie die Akzeptanz von Hochhäusern vor Ort zu berücksichtigen. Im Rückblick...


«Die Zürcher Bevölkerung hat 1984 in einer Abstimmung den Bau weiterer Hochhäuser verboten.» Dies hielt Andreas Wirz, Vorstand von Wohnbaugenossenschaften Zürich und Moderator des Abends, eingangs fest. So sind Hochhäuser in der Stadt Zürich auch heute noch recht dünn gesät und – wie die Karten zeigen – städtebaulich irgendwie willkürlich über das Stadtgebiet verteilt. Seit eine neue Bauzonenordnung den Bau neuer Hochhäuser wieder zulässt, hat sich auch die Zielgruppe verändert. Waren die in den 50er-, 60er- und 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts entstandenen Hochhäuser noch Wohnsilos für Arme, stellen sie heute attraktiven Wohnraum für Wohlhabende dar.

Auch erläuterte er, weshalb die Idee «Hochhaus» heute wieder aufgenommen wird: Das Bauland wird knapp. Und der Wohnflächenverbrauch der Bewohnenden steigt. Gleichzeitig ziehen wieder mehr Menschen in die Stadt. Da liegt es nahe, sich Gedanken zur Verdichtung auch nach oben zu machen.

Bevor er die Podiumsteilnehmenden vorstellte, präsentierte er ein Hochhaus-Projekt, dass er als Architekt in Zug begleitet, bei dem sich die Mitwirkenden gleich mehreren Herausforderungen stellen: 80 Meter Gebäudehöhe in Holzbauweise, die sowohl einen möglichst grossen Anteil an günstigem Wohnraum, Gewerbe- bzw. öffentliche Nutzung im Erdgeschoss und Anbindung an das weit niedriger gebaute Umfeld zu möglichst tiefen Erstellungskosten bieten muss.

Doch Kosten und Architektur sind nur zwei Aspekte, durch die sich Hochhäuser von Liegenschaften in Regelbauweise unterscheiden. Dies machte Eveline Althaus vom ETH Wohnforum gleich klar. Wie sich Menschen in Hochhäusern begegnen, wie es sich in einem Hochhaus lebt, hat sie in ihrer aufwändigen Studie «Sozialraum Hochhaus» aufgrund zahlreicher Interviews mit Bewohnenden dargelegt.

Dass die Bereitstellung der dafür notwendigen, halböffentlichen Begegnungsräume dem Bestreben, möglichst viel vermietbare Fläche zu erhalten um die Kosten zu decken, sich gegenseitig konkurrenzieren, liegt auf der Hand. Dennoch ist Emmanuel Roos, Immobilienanalyst der ZKB, im Laufe des letzten Jahres vom Skeptiker zum vorsichtigen Befürworter von Hochhaus-Projekten geworden. Er habe bei seinen Berechnungen zwar festgestellt, dass ein Hochhaus – etwa durch längere Planungsphasen, spezielle Sicherheitsanforderungen, Verzögerungen durch Einsprachen, aufwändigere Sanierungen etc. – ca. 20 % Mehrkosten verursache. Entstehe das Projekt aber am richtigen Ort – zentral oder zumindest mit Infrastruktur in Fussdistanz – könne sich ein Hochhaus durchaus rechnen. So sehe die ZKB beim Hochhaus einen echten Trend. Er wies aber auch auf einen bedenkenswerten Aspekt hin: Zwar wurden schon in den 60er-Jahren die gesetzlichen Grundlagen für Eigentumswohnungen geschaffen. Diese Eigentumsform begann aber erst in den 80er-Jahren zu boomen. Heute werde sie insbesondere bei Fassadensanierungen mangels Solidarität unter den Besitzenden zu einer echten Herausforderung, die sich bei Gebäuden dieser Grössenordnung sogar noch verstärke. Auch sprach er davon, dass Eigentumswohnungen zu einem gesellschaftlichen Problem werden könnten, worauf Andreas Wirz allen Stockwerkeigentümern anbot, ihnen dabei zu helfen, ihr Eigentum in eine Genossenschaft zu überführen.

Gefragt, warum nun die Stadt Zürich wieder Hochhäuser baue, entgegnete Claus Reuschenbach, Portfoliomanager von Liegenschaften Stadt Zürich, es sei einerseits ein 33 %-Ziel für gemeinnützigen Wohnraum in der Gemeindeordnung festgeschrieben und andererseits kaum noch unbebautes Land im Besitz der Stadt. Daher sehe die Stadt in der Verdichtung nach oben, also höherer Ausnutzung bei gleichzeitigen Einsparungen bei der Ausstattung (z. B. nur eine Nasszelle) ein probates Mittel, um dieses Ziel zu erreichen. Auch könne bei einer Mischform – er nannte das Projekt Letzibach D – die höheren Baukosten der Hochhäuser durch tiefere bei Liegenschaften in Regelbauweise querfinanziert werden. Die Anforderungen nach Wohnbauförderung würden im Ensemble durch ein Punktesystem erreicht.

Hans Rupp, Geschäftsführer der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich ABZ, gab Auskunft über den aktuellen Stand ihres Hochhaus-Projekts auf dem Koch-Areal. Der Prozess sei weit fortgeschritten. Im Augenblick werde gerechnet und mit den Architekten nach Optimierungen gesucht. So habe man – gegenüber dem Wettbewerbsprojekt – die Gemeinschaftsflächen redimensioniert, um mehr vermietbare Fläche zu erhalten. Ausserdem hielt er fest, dass die ABZ aufgrund ihrer grossen Erfahrung durch äusserst schlanke, standardisierte Planungsprozesse Kosten spare und wie der städtische Vertreter auch bei der Ausstattung und der Grösse der Wohnflächen selbst noch Sparpotenzial sehe.

Anschliessend öffnete Andreas Wirz das Podium für Voten aus dem Publikum. Es tauchten – wenig verwunderlich – vor allem Fragen zu sozialen Aspekten auf. So meinte jemand, die Menschen wollten doch nicht wirklich in Hochhäusern, weit über dem Boden wohnen. Da mache man doch aus der Not eine Tugend. Eveline Althaus zitierte die von ihr Interviewten. Da habe niemand etwas Negatives über sein Wohnbefinden gesagt. Im Gegenteil: Die Menschen in Hochhäusern fühlten sich sehr wohl und genössen die Weitsicht. Sie wies aber auch darauf hin, dass es in solchen Liegenschaften «Kümmerer» brauche, Menschen, die etwas für die gute Nachbarschaft täten. So müssten die Verwaltungen selbst Kapazität dafür bereitstellen und bei den Räumlichkeiten Platz aussparen, in denen Begegnungen möglich seien.
Jemand anderes stellte die grundsätzliche Frage, warum denn immer mehr gebaut und mehr Menschen in der Stadt angesiedelt werden müssten. Auf ihre Ich-bin-hier_das-Boot-ist-jetzt-voll-Argumentation wollte niemand eingehen. Zum Schluss wiesen zwei Anwesende auf weitere wichtige Aspekte zum Thema hin: Zum einen die Frage, wie nachhaltig und energieaufwändig Hochhäuser im Vergleich zu anderen Liegenschaften seien, sei hier leider nicht erörtert worden. Und zum anderen, ob es denn sinnvoll und richtig sei, teureren Hochhaus-Wohnraum durch mehr Subventionen wieder zu verbilligen. Beide Themen nahm Andreas Wirz im Namen des Regionalverbandes auf. Dies seien Fragestellungen, auf die Wohnbaugenossenschaften Zürich und seine Mitglieder seit längerem sinnvolle Antworten suchten.

Moderation: Andreas Wirz (Vorstand Wohnbaugenossenschaften Zürich)
Podiumsteilnehmende: Emanuel Roos (Immobilienanalyst ZKB), Eveline Althaus (ETH Wohnforum), Hans Rupp (Geschäftsführer ABZ) und Claus Reuschenbach (Portfoliomanager Stadt Zürich)

> Präsentation von Andreas Wirz
> Kurzvorstellung der Podiumsteilnehmenden