← alle Veranstaltungen

Akzent

Wohnen für 1000 Franken?

07.11.2019 / 19.00–21.00 Uhr

Gehören Wohnungen für unter 1000 Franken monatlich der Vergangenheit an, oder haben sie Zukunft, gerade als Alternative zum subventionierten Wohnbau? Wie lassen sich solche Wohnungen neu realisieren? Worauf wird verzichtet? Und wo ist weniger mehr? Hier wurden Beispiele gezeigt und diskutiert. Im Rückblick...


Hans Rupp, der als Vorstand von Wohnbaugenossenschaften Zürich den Abend moderierte, führte mit ein paar Zahlen ins Thema ein: Von inzwischen 5'128 Wohnungen im Portfolio der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich ABZ lägen die Mieten von 2'944 Wohnungen oder 57 % unter 1000 Franken, wobei ein Grossteil des Bestandes älter als 20 Jahre sei.

Die Demografin Joëlle Zimmerli von ZimRaum erinnerte in ihrem Kurzreferat an die Faustregel, dass nicht mehr als ein Drittel des steuerbaren Einkommens für die Miete aufgewendet werden sollte. Sie wies in diesem Zusammenhang auf den hohen Anteil einkommensschwacher, alleinstehender Senioren ohne Vermögen hin, die es bei einer Kündigung besonders schwer hätten – dies wohl vor allem im Hinblick auf die rege Ersatzneubautätigkeit der letzten Jahre, bei der günstige Altbauwohnungen den etwas teueren Neubauwohnungen weichen mussten.

Auch bei der Stiftung PWG gebe es rund 240 Wohnungen für weniger als 1000 Franken, wie Geschäftsführer Jürg Steiner ausführte. Die PWG achte beim Kauf von Liegenschaften stets auf die Bestandsmieten. Bei Neubauten versuche sie jeweils, die erlaubte Ausnutzung auszuschöpfen und Wohnungen mit kleinen Grundrissen zu bauen, um möglichst viel möglichst günstigen Wohnraum zu schaffen. Ausserdem versuche man, «autoarm» zu bauen, also möglichst auf unnötige und teure Tiefgaragen und Parkflächen an bester öV-Lage zu verzichten. Aber auch bei der PWG betrage die Durchschnittsmiete ca. 1350 Franken für 80 Quadratmeter Wohnfläche.

Felix Bosshard, Präsident der Gemeinnützigen Bau- und Mietergenossenschaft GBMZ und damit oberster Vermieter von mehr als 1000 Wohnungen, erklärte, dass die GBMZ allein in den Zürcher Stadtkreisen 3+4 heute 680 Altbauwohnungen besitze, für die seine Genossenschaft verschiedene Strategien – von sinnvollen Reparaturen über Sanierungen bis hin zu Ersatzneubauten – ausgearbeitet habe. Bei den ersten beiden Szenarien blieben die Mieten tief, und Ersatzneubauten würden vor allem dort geplant, wo durch hohe Ausnutzungsreserven mehr Wohnraum, hindernisfreie Wohnflächen und echte Verbesserungen bei der Wohnqualität (z. B. Lärmschutz an der Hohlstrasse) erzielt würden. Er wies auf das Paradoxon hin, dass durch kleinere Wohnungen zwar günstiger gebaut werden können, diese dann aber nicht mehr für Mietsubventionen in Frage kämen, weil die Wohnbauförderung Mindestgrössen vorschreibe. Auch sei er nicht damit einverstanden, dass die Stadt Zürich bei Neubauten auf GBMZ-eigenen Land einen Anteil an subventionierten Wohnungen durchzusetzen versuche. Ausserdem müsse sich die Politik genau überlegen, wie sie den Mehrwert – der hier ja mehr gemeinnütziger Wohnraum sei – bei Aufzonungen bei gemeinnützigen Bauvorhaben abschöpfen wolle.

Die Vize-Präsidentin der städtischen Stiftung Einfach Wohnen, Marianne Dutli Derron, stellte das Konzept der Stiftung vor. So gehe es hier nicht nur um günstigen, sondern auch um ökologisch nachhaltigen Wohn- und Gewerberaum nach den 2000-Watt-Zielen. Man könne also nicht einfach «vom Markt» kaufen, wenn die Stiftung ihr Kapital von 80 Mio. Franken im Sinne ihres Stiftungszwecks investieren wolle. Beim aktuellen Projekt auf dem Guggach-Areal setze man deshalb auch kleine, raffinierte Grundrisse. Aber auch da werde man die 1000-Franken-Grenze knapp überschreiten.

Anschliessend wurde die Diskussion eröffnet. Gleich zu Beginn stellte jemand die Frage, ob denn die Politik helfe, um 1000-Franken-Wohnungen zu erstellen. Felix Bosshard verneinte, wies nochmals auf die paradoxe Situation bei der Wohnbauförderung hin und plädierte dafür, dieses Regelwerk bald zu überarbeiten. Ein Genossenschafter aus dem Publikum sprach sich dafür aus, mehr auf eigenem Land zu bauen, da so keine teuren Landkäufe in die Mieten eingerechnet werden müssten, worauf die Befürchtung geäussert wurde, durch die Ersatzneubauten entstünden auch bei den Gemeinnützigen teurere Wohnungen. Peter Schmid, Verfasser der neusten Kosten- und Branchenstatistik (erscheint im Januar 2020) widersprach: Neuste Zahlen würden belegen, dass die Durchschnittsmiete einer 3-Zimmer-Wohnung trotz aller Neubauten noch immer bei 1'100 Franken läge. Jemand anderes monierte, günstige Mieten seien zwar wünschenswert, ökologische Aspekte angesichts der Klima-Debatte aber viel wichtiger. Christian Schmid vom ETH Wohnforum, meinte, Stadt und Gemeinnützige müssten weiter vorausdenken und bei Stadtteilen, die über kurz oder lang aufgewertet würden, den kommerziellen Investoren zuvorkommen und selber investieren. So würden günstige Mieten zwar nicht sofort, aber im Vergleich zum teurer werdenden Umfeld eben auf lange Sicht erreicht.
Die regen Diskussionen beim anschliessenden Apéro zeigten, dass das Thema bewegt und in den nächsten paar Jahren noch weiter die Gemüter erhitzen wird.

Moderation:
Hans Rupp (Vorstand Wohnbaugenossenschaften Zürich)
Podiumsteilnehmende: Joëlle Zimmerli (Demografin), Jürg Steiner (Geschäftsführer PWG), Marianne Dutli Derron (Vize-Präsidentin Stiftung Einfach Wohnen) und Felix Bosshard (Präsident GBMZ).

Download der Präsentationen >