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Debatte

The future is agglo – kennt Gemeinnützigkeit Grenzen?

14.11.2019 / 19.00–21.00 Uhr

In der Stadt fällt die Idee der Wohnbaugenossenschaften auf fruchtbaren Boden. Doch der Boden wird knapp. Sollen die gemeinnützigen Bauträger in die Agglomeration expandieren? Welche Argumente überzeugen Gemeinden und Gemeinnützige, was spricht dagegen? Im Rückblick...


Andreas Wirz, Vorstand von Wohnbaugenossenschaften Zürich und Moderator des Abends, führte anhand eines Beispiels ins Thema ein: Wallisellen habe in den vergangenen Jahren grosses Wachstum erfahren. Auch der Regionalverband habe sich schon um Land bemüht bzw. versucht, Mitgliedsgenossenschaften dafür zu begeistern, auf einem in Wallisellen umgezonten Areal zu bauen. Ohne Erfolg, was dazu führte, dass der Generalunternehmer Allreal das grosse Grundstück im Alleingang entwickelte und bebaute. Hier hätten sich die beiderseitigen Vorurteile gezeigt: Auf der einen Seite konnten oder wollten sich städtische Genossenschaften nicht vorstellen, in der Peripherie – noch dazu in der Anflugschneise – zu bauen. Und andererseits sprach Allreal davon, keine U-Boot-Wohnungen – ihre Vorstellung von der Grösse typischer Genossenschaftswohnungen – bauen zu wollen.

Dann richtete er seine erste Frage, ob so viele Menschen auf einmal in Wallisellen denn willkommen gewesen seien, an Peter Spörri, Gemeindepräsident von Wallisellen. Dieser blickte kurz auf die Gemeindeversammlung zurück, an der über den entsprechenden Gestaltungsplan abgestimmt worden ist. Schon im Vorfeld sei intensiv über das Vorhaben diskutiert worden, an der Versammlung selbst sei der Antrag mit nur zwei Gegenstimmen angenommen worden. Wallisellen sei schon lange kein Dorf mehr. Nur habe die Zahl der Arbeitsplätze im Vergleich zum Wohnraum viel schneller zugenommen. Daher habe der Gemeinderat beschlossen, das Gebiet zwischen Bahnhof und Glattzentrum für das Wohnen zu öffnen. Der neue Wohnraum habe ein äusserst vielfältiges Publikum angezogen: Sehr viele Junge, zahlreiche Expats, darunter einige, die sich inzwischen einbürgern liessen. Anfangs seien es, ganz anders als heute, sehr wenige Kinder gewesen.

Andreas Wirz wollte von Jörg Kündig in dessen Rolle als Präsident des Gemeindepräsidenten-Verbands wissen, ob es Gründe gebe, die Genossenschaften in die Gemeinden zu holen. Dieser beschäftige sich intensiv mit der Entwicklung im Kanton Zürich. Damit meinte er den Plan, dass der Kanton in den nächsten Jahren etwa 30 % mehr Einwohner aufnehmen und dass dieses Wachstum vor allem in den Städten und in der Agglomeration stattfinden solle. Die Genossenschaftsidee sei da tatsächlich sehr willkommen. Es stelle sich aber die Frage, welche Beeinflussungsmöglichkeiten die Gemeinden dabei haben. Die Gemeinden müssten über Gestaltungspläne und städtebauliche Verträge Steuerungsinstrumente haben, um ihre Verantwortung wahrnehmen zu können. Idealerweise könne man, wie in seiner Gemeinde Gossau, zwei Ziele auf einmal erreichen. Da habe eine Handwerkergenossenschaft gleichzeitig Arbeit und Wohnraum geschaffen.

Auf die Frage an Alwin Suter, wie Illnau auf die Idee gekommen sei, ein Projekt für Alterswohnen mit einem gemeinnützigen Bauträger zu realisieren, meinte dieser, anfangs habe weder Alterswohnen noch die Gemeinnützigkeit im Vordergrund gestanden. Der Kanton Zürich habe für einen Werkhof und das entsprechende Grundstück keine Verwendung mehr gehabt, Illnau sei daran interessiert gewesen. Der Kanton habe für den Verkauf diese Auflagen gemacht. Da Illnau das Areal aber nicht selbst entwickeln wollte, habe man sich nach einem gemeinnützigen Partner umgesehen, der Dank den Bemühungen von Wohnbaugenossenschaften Zürich gefunden werden konnte. Nun werde das Projekt Schritt für Schritt mit der Wohnbaugenossenschaft Sonnenbühl realisiert.
Er erwähnte ausserdem, dass Küsnacht vor ein paar Jahren nach einer Volksabstimmung den Landpreis eines Areals von 2000 auf 500 Franken pro Quadratmeter abgeschrieben, um es Genossenschaften für günstigen Wohnraum zur Verfügung stellen zu können.

Werner Brühwiler wurde gefragt, warum die Wohnbaugenossenschaft Sonnenbühl aus Uster sich dazu entschlossen habe, in Illnau zu bauen. Er selbst sei von Uster weg zusammen mit seiner Partnerin (aus Berlin) in die Baugenossenschaft mehr als wohnen nach Schwamendingen gezogen; gefühlt hätten sie sich in der Mitte getroffen. Distanzen seien immer relativ. Dann bot er einen kurzen Abriss der Geschichte der Ustermer Genossenschaften, bei dem es im Wesentlichen darum ging, dass Uster immer dann, wenn sie Alterswohnungen gebraucht hätten, sich nach Genossenschaften umgesehen habe. Denn die Stadt Uster habe ausgerechnet, dass sie bei den Sozialleistungen (EL) auf die Dauer mehr Geld spare, als sie bei einem Verkauf an den Meistbietenden einmalig eingestrichen hätte. Und um die Frage doch noch zu beantworten, meinte er, Illnau hätte der Genossenschaft einfach die Gelegenheit geboten zu wachsen und die eigene Geschäftsstelle besser auszulasten.

Für Jörg Kündig und Peter Spörri sei es auch eine Frage des Preises. Nicht jede Gemeinde könne sich – wie Küsnacht – einen Millionenabschreiber leisten. Peter Spörri wandte aber ein, Wallisellen habe kürzlich Land «zusammengekauft» mit der Idee, vielleicht etwas mit Genossenschaften zu entwickeln. Im Kontrast dazu schilderte Ivo Hasler, Gemeinderat in Dübendorf, wie seine Gemeinde ohne die entsprechende Mehrwertabschöpfung verschiedene Gebiete aufgezont hätte und so den Besitzern ermögliche, mehr und höher zu bauen. «Die Immobilienfirmen kreisen seither wie die Geier über diesen Grundstücken.» Die Gemeinde habe keinen Weitblick bewiesen, schaue nun hilflos den Entwicklungen zu – ohne davon zu profitieren – und müsse erst noch die neue Infrastruktur berappen.

Dann kam die Runde auf die Gebiete zu sprechen, in denen weiter gebaut werden soll. Man war sich einig, dass dies dort geschehen solle, wo bereits die entsprechende (Verkehrs-)Erschliessung bestehe oder gut erweitert werden könne, auch deshalb, weil so die Landschaft geschont werden könne. Auch die Zerstückelung des Landes bezüglich der Eigentümerschaft sei ein wichtiger Faktor. Land und Liegenschaften im Stockwerkeigentum sah Alvin Suter als grosses Problem. Die Idee, dass sich Stockwerkeigentümer bei Erneuerungen zu Genossenschaften zusammenschliessen würden, sei nicht die dümmste. Eigentürmergemeinschaften bilden, die gemeinsam eine gescheite Verdichtung – Uster soll in den nächsten Jahren in den bestehenden Wohnzonen 7000 Menschen mehr aufnehmen können – sei im Rahmen der Ustermer Stadtentwicklung ein grosses Thema. Die Stadt solle als neutrale Vermittlerin das Gespräch zu den verschiedenen Eigentümern suchen. Er erwähnte auch das Beispiel im Zürcher Grubenacker, wo sich Häuschen-Besitzer zu einer Genossenschaft zusammengetan hätten.

Jörg Kündig führte ins Feld, dass die Submissionsverordnung vorschreibe, dass Land öffentlich ausgeschrieben werden müsse und man nicht einfach mit einem potentiellen Partner Verhandlungen aufnehmen könne. Alvin Suter plädierte dafür, in diesen Fällen kreativ mit diesem Gesetz umzugehen und die Bedingungen für die Ausschreibung eben entsprechend zu formulieren. Im Zusammenhang mit den Bedingungen erinnerte Ivo Hasler an einen NZZ-Artikel, der Dübendorf gleich nach Genf und zwei anderen Schweizer Städten als eine der Gemeinden mit den akutesten Wohnraum-Problemen nannte. Aus seiner Sicht müsste zumindest im Umgang mit den kommunalen Grundstücken Kostenmiete oder günstiges Wohnen Pflicht sein. Jörg Kündig entgegnete, dass «zu viele» günstigen Wohnungen für Gemeinden auch Risiken bergen könnten, zum Beispiel in den Bereichen der Ergänzungsleistungen oder beim Alterswohnen. Ivo Hasler räumte darauf ein, dass er heute nicht wisse, ob er im Alter nicht auch zum Risiko werde.

Moderation: Andreas Wirz (Vorstand Wohnbaugenossenschaften Zürich)
Podiumsteilnehmende:
Jörg Kündig (Gemeindepräsident Gossau)
Peter Spörri (Gemeindepräsident Wallisellen)
Ivo Hasler (Gemeinderat Dübendorf, Vorstand der Bau- und Wohngenossenschaft Kraftwerk1)
Werner Brühwiler (ehem. Geschäftsführer Wohnbaugenossenschaft Sonnenbühl)
Alwin Suter (ehem. Suter von Känel)