Wir diskutierten mit den Finalistinnen und Finalisten, welchen Einfluss ihre Projekte auf die Wohnbaugenossenschaften und die Gesellschaft im Allgemeinen haben.
Mit diesem Wettbewerb machte Wohnbaugenossenschaften Schweiz sichtbar, welchen Beitrag die gemeinnützigen Wohnbauträger zu diesem wichtigen Thema für die Gesellschaft leisten, wie sie sich gegenseitig inspirieren und motivieren. Dieser Abend bot Gelegenheit, erfolgreiche Projekte und neue Ansätze kennenzulernen, aber auch kritisch zu hinterfragen und da und dort ins Detail zu gehen. Im Rückblick...
Marie Glaser vom ETH Wohnforum (europ. Ethnologin, Nachhaltige Quartierentwicklung) und als solche Mitglied der gesamtschweizerischen Jury für diesen Wettbwerb begrüsste Podiumsteilnehmende und Publikum: «Tue gutes und sprich darüber, über Erfolge und Potentiale.» Hier gehe es um Projekte – es seien fast 60 Bewerbungen von hoher Qualität und Vielfalt aus der ganzen Schweiz eingereicht worden – aus dem Bereich Integrationsarbeit. Es gehe aber auch um die Ziele, die sich Genossenschaften gesteckt hätten. Sie danke allen Teilnehmenden und hoffe, dass diese Ideen nachhaltig wirken.
(Hier können Sie sich im Detail über alle Eingaben und über die Siegerprojekte informieren >)
Bei der Kurzvorstellung der einzelnen Siegerprojekte wurde klar, wie unterschiedlich Ausgangslage und Zeithorizont bei den einzelnen war. Währenddem Casanostra (Verein für Wohnhilfe in Biel) mit dem Kauf einer über 100 Jahre alten Liegenschaft startete, konnte die Kooperation Industriestrasse – ein Zusammenschluss von fünf kleinen und grossen Genossenschaften – 8700 Quadratmeter Land im Baurecht übernehmen – aber erst, nachdem die Stimmberechtigten von Luzern verhindert hatten, dass das Land an den «Meistbietenden» verkauft wird. Aktuell sei das Grossprojekt in Planung. Ziel sei, 2025 ein konkretes Bauvorhaben mit insgesamt 14 Liegenschaften präsentieren zu können.
Wieder ganz anders war die Vorgeschichte in Basel: Bevor die heutige Genossenschaft Feuerwehr Viktoria aus der Taufe gehoben werden konnte, musste sowohl Goodwill im Quartier als auch politischer Druck aufgebaut werden: Petitionen, Demonstrationen und Aktionen wie Hoffeste für das ganze Quartier schafften Öffentlichkeit, Neugier und Sympathie, weit über das Quartier hinaus. Vor dem Hintergrund mehrerer gewonnener wohnpolitischer Abstimmungen konnte ein kommerzielles Projekt (das auch dem Denkmalschutz nicht Rechnung trug) verhindert werden. Als schliesslich ein genossenschaftliches Projekt mit 45 % Wohnanteil, Gewerbe und Unterkünfte für Geflüchtete sowie eine öffentliche Nutzung des Innenhofes vorgestellt wurde, war die Zustimmung gross.
Das Argument des Hofes, der dem Quartier offen steht sowie die wohnpolitischen Aktionen rund um das Projekt haben offensichtlich auch dem Wohn- und Quartierhof Mattenstrasse der Genossenschaft Mietshäuser Syndikat Basel in Kleinbasel zum Durchbruch verholfen. Aus dem Publikum kam dazu die Frage, was hinter der Idee stecke, den Bewohnenden «Fläche» im Hofraum zur Verfügung zu stellen. Es sei darum gegangen, nicht alles «zentral» zu organisieren, sondern den Bewohnenden Spielraum zu lassen, die Nutzung untereinander auszuhandeln. Nun stehe dank der Projekt-Auszeichnung auch Geld für die Realisation dieser Ideen zur Verfügung.
Lea Gerber, Jury-Mitglied und Co-Moderatorin von Wohnbaugenossenschaften Schweiz, fragte, wie denn die vorgängige Zwischennutzung an der Indurstriestrasse in Luzern die Zukunft des Areals geprägt habe. Edina Kurjakovic meinte, dass die Industriestrasse mittlerweile eine bekannte Adresse sei, aufgeladen mit den Erwartungen der Leute auch hinsichtlich des Raumangebots und der Mietpreise.
Im Bezug auf die Mietpreise haben auch andere Projekte, kaum etabliert, ernüchternde Erfahrungen gemacht. Als Hauptmieter sei auch die Genossenschaft Feuerwehr Viktoria über die Bücher gegangen und habe die Mieten leicht erhöhen müssen. Und da sie einen Neubau planten, hätten nicht alle Gewerbebetriebe bleiben können.
Anschliessend kam Marie Glaser auf die «Veränderungskonferenz» von Kraftwerk1 zu sprechen. Sie wollte von Anna-Katharina Ris wissen, wie man sich diesen Vorgang des Wohnungstauschs vorstellen müsse. Diese räumte ein, dass nicht nur der Wunsch nach Veränderung (grössere gegen kleinere Wohnung oder umgekehrt), sondern auch eine grosse Offenheit Grundvoraussetzungen dafür seien. Die Teilnehmenden sässen in der Runde und deklarierten ihre Bedürfnisse. Anschliessend gebe es eine Besichtigung der Wohnungen der Wechselwilligen, und danach werde der Tausch so ausgehandelt, dass möglichst viele zum Zug kommen.
Elsi Reimann von der Wohnbaugenossenschaft Langnau i.E. schilderte die örtliche Situation. Es gebe die Halde (analog dem Zürichberg) und das Unterdorf, das vielleicht mit dem Kreis 4 vergleichbar sei. Für ihr Vorhaben müssten Sympathisierende aus beiden Ortsteilen gewonnen werden. Paul Christ ergänzte, dass ihre Genossenschaft die einzige weit und breit sei und regte an, dass der Dachverband dort ansetzen und die Genossenschaftsidee auf dem Land populärer machen solle. Dies nahm Lea Gerber gerne entgegen. Wie wichtig bei all den Prozessen persönliche Kontakte sind, stellte Maria Glaser fest, als sie den Abend kurz zusammenfasste. Im Anschluss, beim Apéro, war viel Zeit, diese persönlichen Kontakte zu vertiefen und Erfahrungen auszutauschen.
Moderation:
Marie Glaser (ETH Wohnforum)
Lea Gerber (Wohnbaugenossenschaften Schweiz)
Podium:
Paul Christ und Elsi Reimann (Wohnbaugenossenschaft Langnau i.E.)
Edina Kurjakovic (Kooperation Industriestrasse Luzern)
Daniel Bachmann (Casanostra)
Claude Marbach (biwog Bieler Wohnbaugenossenschaft)
Tilman Rösler (Genossenschaft Feuerwehr Viktoria, Basel)
Nola Bally (IG Wohnhof Mattenstrasse)
Anna-Katharina Ris (Kraftwerk1)
Marianne Bohn (Stiftung futuri)
Faust Lehni (Allgemeine Baugenossenschaft Zürich)
Die Sieger-Projekte als Plakate >