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Abstimmungstalk zur Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen»

15.01.2020 / 19.00–21.00 Uhr

Wie der Bundesrat in seiner Botschaft zur Initiative «Mehr bezahlbare Wohnungen» selbst feststellt, «greift die Initiative einen für die Wohnraumversorgung in der Schweiz wichtigen Punkt auf. Für Wohnungssuchende, insbesondere für solche mit geringer Kaufkraft, ist es schwierig, eine ihren Bedürfnissen entsprechende Wohnung zu finden. Aber ist diese Initiative, über die wir am 9. Februar 2020 abstimmen, das richtige Mittel? Darüber diskutierten Befürworter und Gegner... (im Rückblick)


Das verlangt die Initiative:

  • Bund und Kantone sollen dafür sorgen, dass künftig gesamtschweizerisch mindestens jede zehnte neu gebaute Wohnung im Eigentum gemeinnütziger Bauträger ist.
  • Kantone und Gemeinden sollen ein Vorkaufsrecht einführen können, um geeignete Grundstücke dem gemeinnützigen Wohnungsbau zukommen zu lassen.
  • Für die Areale des Bundes oder bundesnaher Betriebe (zum Beispiel SBB-Areale) soll der Bund den Kantonen und Gemeinden ein Vorkaufsrecht gewähren. Auf diesen Arealen sollen gemeinnützige Wohnungen entstehen können.

Urs Hauser, Direktor von Wohnbaugenossenschaften Schweiz, hielt in seiner Begrüssung fest, dass eigentlich niemand gegen mehr bezahlbaren Wohnraum sein könne. Aber die Auffassungen darüber, ob die landesweit aktuell 5 % gemeinnützige Wohnungen genügen oder nicht und ob die Festschreibung von 10 % im Gesetz das richtige Mittel wäre um den gemeinnützigen Wohnungsbau voranzubringen, gingen weit auseinander. Als Befürworter sehe er die Abstimmungskampagne auf gutem Weg und wünschte sich einen erfolgreichen Endspurt.

Franz Horvath stellte kurz die Podiumsteilnehmenden vor und fragte danach alle, wann sie das letzte Mal eine Wohnung gesucht hätten. Louis Schelbert meinte, dies sei 20 Jahre her. Er lebte schon bei der Allgemeinen Baugenossenschaft Luzern in einer 75 m2 grossen Wohnung. Im Laufe der Zeit sei seine Familie gewachsen. Daher hätte sie sich um eine grössere Wohnung bemüht und sich zwei Jahre lang gedulden müssen, bis etwas Passendes frei geworden sei. Bei Raffaela Albinone vom Schweizer Mieterinnen- und Mieterverband sei dies acht Jahre her. Sie hätte extrem Glück gehabt und eine Wohnung zur Kostenmiete bei einer Stiftung gefunden. Einen ganz anderen Weg hat Hans Egloff eingeschlagen. Er outete sich als ehemaligen «WG-Freak». Nachdem er seine Frau kennengelernte, hätte für ihn festgestanden, dass er ein Zuhause kaufen wollte, erst eine 2,5-Zimmer-Wohnung, inzwischen in einem Haus. Insofern kenne er das Gefühl der Wohnungssuche nicht. Dafür kenne er als Präsident einer Wohnbaugenossenschaft (BSZ) die Menschen, die eine Wohnung suchen.
Auch bei Nathanea Elte sei es 20 Jahre her seit der letzten Wohnungssuche. Dies sei schon damals in der Stadt Zürich eine recht frustrierende Angelegenheit gewesen. Sie hätte viele Wohnungen besichtigt, gemütlich mit meist 50 bis 100 anderen Interessierten. Schliesslich sei sie auf Neubauten der Allgemeinen Baugenossenschaft Zürich ABZ aufmerksam gemacht worden. Inzwischen hätten sie innerhalb der Genossenschaft in eine grössere Wohnung wechseln können.

Zum Einstieg in die Diskussion fragte Franz Horvath nach der Motivation des Schweizer Mieterinnen- und Mieterverbands, diese Initiative zu lancieren. Der MV hätte – so Raffaela Albinone – beobachtet, dass zwar der Mietpreisindex trotz sinkenden Hypothekarzinsen laufend steige, die Löhne aber nicht im selben Mass mitzögen. Ausserdem würden die Mieten nach Energiesanierungen deutlich erhöht, und es werde oft am falschen Ort gebaut.
Auf die anschliessende Frage, warum denn Wohnbaugenossenschaften Schweiz diese Initiative unterstütze, meinte Louis Schelbert, die Initiative stärke das Kerngeschäft der Vebandsmitglieder.

Danach wurde Hans Egloff gefragt, warum er zwar Präsident der Genossenschaft BSZ, aber dennoch gegen die Initiative sei. Seine Genossenschaft sei subventionsfrei. Für ihn sei die Initiative und die Festschreibung einer 10 %-Quote der völlig falsche Weg. In der Stadt Zürich gebe es ja die 33 %-Quote und der Anteil gemeinnütziger Wohnungen steige ständig.
Albinone: «Die 10 % sollen einen Durchschnittswert darstellen.»
Egloff: «Das führt doch zu einem Verteilkampf. Da sind sich die Leute doch schon heute nicht einig, wo das realisiert werden soll.»
Nathanea Elte schilderte die Situation bei der Vermietung der 300 ABZ-Wohnungen im Glattpark. Da hätte die ABZ 2000 Bewerbungen bekommen. Die Nachfrage sei viel grösser als das Angebot. Im Fokus der Initiative sei ja auch der bessere Zugang für Genossenschaften zu neuem Bauland, um künftig für mehr Menschen Raum für diese Wohnform zu verschaffen.

Hans Egloff insistierte und fragte erneut, nach welchen Kriterien denn im Sinne der Initiative welche Standorte gefördert werden sollten. Louis Schelbert räumte ein, dies sei in der Initiative noch nicht definiert. Dies müsse – nach Annahme der Initiative – auf Bundesebene in einer Verordnung festgehalten werden. Die Initiative sei aber nötig. Man habe festgestellt, dass zwei Drittel der Kantone überhaupt keine Wohnbauförderung (im Bereich des günstigen Wohnraums) betrieben. Wenn es aber im Gesetz festgeschrieben würde, nähme es die Politik in die Pflicht, dies auch umzusetzen. Auch sei es einfacher, etwas auf Bundesebene zu etablieren, statt 3000 Gemeindeabstimmungen anzustrengen.

Franz Horvath wollte noch auf einige konkrete Forderungen der Initiative eingehen und fragte, warum das Vorkaufsrecht für die Gemeinden so wichtig sei. Raffaela Albinone antwortete, dass die verfügbaren Grundstücke der öffentlichen Hand knapp würden und die Kommunen so in die Lage versetzt würden, Land zu kaufen, das sie den Gemeinnützigen zur Erstellung von günstigem Wohnraum zur Verfügung stellen könnten. Darin sah Hans Egloff eben die Gefahr, kommerzielle Investoren könnten künftig die Projektkosten scheuen könnten, wenn sie Gefahr liefen, dass die Gemeinden ihre Pläne auf der Zielgeraden durchkreuzen könnten, indem sie das Vorkaufsrecht durchsetzten. So würde am Ende möglicherweise nicht mehr, sondern eben weniger gebaut.
Auf die Frage, ob die Wohnbaugenossenschaften überhaupt bereit wären, diesen neuen Wohnraum zu erstellen, bejahte Nathanea Elte. Wichtig sei einfach, dass der genossenschaftliche Gedanke auch im Wachstum erhalten bleibe. Auch liesse das Know-how in der Branche es auch zu, kleinere und mittlere Genossenschaften zu unterstützen.
Louis Schelbert merkte an, dass immer behauptet werde, der Markt würde es richten. Aus einer Studie des Bundes gehe aber hervor, dass etwa 20 % der Bevölkerung bezüglich Wohnraum «unterversorgt» sei. So gesehen hätte der Markt doch versagt. Deshalb sei die Initiative – als politischer Impuls – ja auch lanciert worden. Und auf die «beste Wohnform» (aus der Abstimmungskampagne von Wohnbaugenossenschaften Schweiz) angesprochen, meinte Nathanea Elte, dass die Gemeinnützigen eben nachhaltig bauten, auf die Quartierverträglichkeit achteten und ergänze, was noch fehle. Louis Schelbert fügte an, dass Genossenschaften soziale Aufgaben übernähmen und ökologisch höchste Standards erfülle.

Beim Stichwort «ökologisch» hakte Franz Horvath nach und fragte in die Runde, ob die Ungleichbehandlung des gemeinnützigen Wohnungsbaus (mit einem Fonds de roulement für rückzahlbare Darlehen in der Höhe von CHF 250 Mio.) gegenüber der Eigentumsförderung mit deutlich mehr Fördergeldern à fonds perdu für energetische Sanierungen und zusätzlichen Steuervergünstigungen nicht als ungerecht empfunden würde. Im Bezug auf die Gelder für energetische Sanierungen meinte Hans Egloff, er wäre der Allererste, der dabei wäre um diese Förderprogramme wieder abzuschaffen. Die Eigentümer müssten noch immer 85 % der Kosten selber aufbringen. Wenn sie das nicht könnten, bringe das Programm nichts.


Moderation:
Franz Horvath (Wohnbaugenossenschaften Schweiz)
Podiumsteilnehmende:
Louis Schelbert (Präsident Wohnbaugenossenschaften Schweiz)
Nathanea Elte (Präsidentin Allgemeine Baugenossenschaft Zürich ABZ)
Raffaela Albione (Geschäftsleiterin Mieterinnen- und Mieterverband Zürich)
Hans Egloff (Präsident HEV)